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Inklusions-Debüt in der Spitzensport-RS

Die Spitzensport-RS in Magglingen erfährt per 1. November 2021 ein absolutes Novum. Mit den beiden Paralympics-Athlet:innen Elena Kratter (Leichtathletik) und Fabian Recher (Handbike) treten erstmals zwei Behindertensportler zum Dienst an.

Nie hätte Fabian Recher gedacht, dass alles so schnell gehen könnte. Der 22-jährige Spiezer, der im Juni in Österreich und in Portugal sowohl EM- als auch WM-Bronze im Para-Cycling gewann und sich drei Monate später an den Paralympics in Tokio mit Platz 7 im Strassenrennen und in der Team-Staffel zwei Diplome sicherte, hat früher schon oft an die Spitzensport-RS gedacht. Nun ist er ab 1. November mit dabei und freut sich riesig auf seine solide Grundausbildung. «Ich erhoffe mir durch das Training mit den richtigen Leuten eine Professionalisierung», sagt der junge Spitzensportler.

Sowohl für Fabian Recher als auch für die Schwyzer Leichtathletin Elena Kratter (25) ist die Teilnahme an der Spitzensport-RS nicht nur ein sportlicher, sondern auch ein organisatorischer und finanzieller Segen. «Wir können uns 18 Wochen lang voll auf unseren Sport konzentrieren. Das ermöglicht uns nicht nur den Austausch mit anderen Sportlern, sondern wir lernen auch von den Besten», ist die Tokio Paralympics-Bronzemedaillen-Gewinnerin im Weitsprung überzeugt. Elena Kratter unterbricht dafür die Maturitätsschule bis im Sommer 2022 und erhält, genau wie der im HR-Bereich Teilzeitangestellte Fabian Recher, in diesen 18 Wochen Erwerbsersatz und einen regulären Sold. Damit können beide mehr trainieren, sich im Kraftbereich verbessern und spezialisierte Trainings – zum Beispiel im Velodrome in Grenchen - absolvieren.

Riesiger Schritt für den Para-Sport

 

17 Jahre nach ihrer Einführung können nun erstmals auch Behindertensportler an der Spitzensport-RS teilnehmen. «Wir sind absolut auf dem richtigen Weg», sagt René Will, Präsident von Swiss Paralympic, «In den letzten Jahren hat sich der Behindertensport massiv entwickelt und das Niveau ist international enorm angestiegen. Wie leistungsorientiert die Weltspitze unterwegs ist, hat man zuletzt an den Paralympics in Tokio eindrücklich gesehen. Um mit dieser Entwicklung mitzuhalten, sind wir auf wirkungsvolle Unterstützung angewiesen und wir müssen uns permanent weiterentwickeln. Dafür ist die Spitzensport-RS eine sehr willkommene Chance. Wir ziehen damit gleich mit vielen anderen Ländern, die diese staatliche Unterstützung zum Teil seit vielen Jahren kennen.» Für Will ist aber noch ein anderer Aspekt zentral: «Die weitergehende Integration und Gleichstellung zwischen Sportler*innen mit und ohne Behinderung ist auch gesellschaftlich sehr willkommen, um nicht zu sagen zwingend. Unsere Athlet*innen sehen sich zuerst mal als Sportler*in, ihre Behinderung ist für sie zweitrangig. Wir freuen uns deshalb riesig, dass dieser Schritt nun Realität wird – auch dank der grossen Unterstützung von Sportministerin Viola Amherd und dem VBS.»

Damit Elena Kratter und Fabian Recher am 1. November ihre Uniform fassen können, wurde in einer Arbeitsgruppe zwischen VBS und den Behindertensport-Verbänden PluSport und Rollstuhlsport Schweiz (RSS) zwei Jahre lang intensiv gearbeitet. «Es mussten zum Beispiel im Bereich der Barrierefreiheit und der Versicherungen die nötigen Abklärungen getroffen werden. Zudem wurde ein Konzept erstellt, wie fachgerechte Betreuung und Förderung der Athlet*innen in Magglingen durch PluSport und RSS sichergestellt wird. Das waren sicher die grössten Herausforderungen», blickt Laurent Prince, Direktor der Schweizer Paraplegiker-Vereinigung und RSS, zurück. «Die Zusammenarbeit mit dem VBS war aber von Anfang an extrem lösungsorientiert und sehr konstruktiv. Wir haben gespürt, dass es allen Beteiligten auch persönlich ein Bedürfnis ist, dieses für den Schweizer Sport so wichtige Programm auch für den Behindertensport öffnen zu können.»

Laut Laurent Prince ist es das Ziel, dass weitere Menschen mit einer Behinderung die Möglichkeit erhalten, die Spitzensport-RS zu absolvieren. «Wir müssen nun diese erste RS zu einer Erfolgsgeschichte machen und Erfahrungen sammeln. Es ist bestätigt, dass in der nächsten Sommer-RS zwei Sportler einrücken können. Wer weiss, wohin die Reise noch führt – wenn es gut läuft, könnten uns künftig sogar mehr Plätze offenstehen. Für die Herbst-RS 2022 haben wir bereits sechs Interessent*innen.»

Elena Kratter und Fabian Recher können in wenigen Tagen von der Vorarbeit der Behindertensportverbände profitieren. Die Vorfreude ist bei beiden enorm. «Ich bin sehr gespannt auf die Spitzensport-RS, aber ich habe auch grossen Respekt davor, was mich zu Beginn dort alles erwarten wird», gibt Recher zu. Elena Kratter geht es ähnlich: «Ich lasse es auf mich zukommen. Es könnte intensiv, aber gut werden.»

Fotocredits: Swiss Paralympic/Gabriel Monnet