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Romy Tschopp: Mode aus Basel für Menschen mit Behinderung

Für gewöhnlich bezwingt sie eisige Pisten oder stellt sich dem Wettkampf mit anderen Athlet:innen: Romy Tschopp. Die Sissacherin ist Olympionikin und Vizeweltmeisterin im Para-Snowboard, einer adaptierten Version des Wintersports für Menschen mit körperlichen Einschränkungen. Nun wagte sich die 30-Jährige auf einen anderen Untergrund als den Schnee - auf den Laufsteg.

Bericht: Julia Gisi, Basler Zeitung
 

Das ästhetische Abstellgleis endlich verlassen

Unter dem Motto Diversität präsentieren die Lernenden dort nun ihre Entwürfe für Menschen, deren Körper nicht der gängigen Norm entsprechen: sei es aufgrund der Körpergrösse, der Statur oder - wie im Falle von Romy Tschopp - weil sie ein körperliches Handicap haben und auf den Rollstuhl angewiesen sind. Damit wolle man einen Beitrag dazu leisten, dass Mode vielfältiger und zugänglicher werde, heisst es in einer Mitteilung der Berufsfachschule Basel: «Denn hinter ihrem teils frivolen und oberflächlichen Glanz ist die Mode ein Ausdruck unserer Identität. Gerade das ist besonders wichtig für Menschen, welche eine körperliche Beeinträchtigung haben und durch diese oft stigmatisiert werden.» Während die betroffenen Models im modischen Alltag aufgrund limitierter Auswahl schnell einmal auf das ästhetische Abstellgleis verbannt werden, konnten sie im Vorfeld zur Modenschau ihre Bedürfnisse anbringen. Für Romy Tschopp nicht selbstverständlich: «Im Internet findet man inzwischen zwar schon auch adaptive Mode, aber dies nur in sehr limitierter Form - das Thema steckt definitiv noch in den Kinderschuhen», sagt die erfolgreiche Sportlerin.

«In den Köpfen vieler Menschen ist noch viel zu wenig präsent, dass sich auch Personen im Rollstuhl gerne modisch ausdrücken möchten.» Shorts mit hohem Bund und Gummizug Sie selbst habe insofern Glück, als dass sie noch einige Schritte laufen und so auch oft «normale» Kleidungsstücke anprobieren und tragen könne. Dennoch könnten schon die kleinsten Veränderungen eine grosse Auswirkung auf das eigene Wohlbefinden und auf die Ästhetik haben, so Romy Tschopp. Für die Show haben die Lernenden der Sportlerin einen Blazer, ein Top sowie passende kurze Anzugshosen angefertigt. «Die Shorts haben einen hohen Bund und sind mit einem Gummizug versehen», sagt die 30-Jährige.

«Denn Druckstellen sind für Menschen im Rollstuhl ein grosses Thema.» Am Rücken platzierte Nähte oder Reissverschlüsse können schnell scheuern, kratziges Material wie Wolle ausserdem schnell Unbehagen auslösen. «Auch der Schnitt muss für jemanden, der im Rollstuhl sitzt, anders sein», weiss Raphael Stucki. Der 17-Jährige gehört zum Schneidernachwuchs, der die «Eden»-Kollektion entworfen und hergestellt hat. «Beim Sitzen wird hinten am Bein mehr Stoffvolumen benötigt, dementsprechend müssen die Partien dort länger geschnitten sein.

Umgekehrt brauche es an der Vorderseite eines Oberteils beispielsweise weniger Stoff, weil dieser in der Sitzposition gar nicht fallen kann. Und zu lange Ärmel sind insbesondere im Rollstuhl alles andere als praktisch, da sie jederzeit in die Speichen geraten könnten. Für den 17-Jährigen ist das Thema komplettes Neuland, wie er sagt: «Bis zu diesem Projekt war ich gar nie gross damit konfrontiert, wie problematisch die Kleiderwahl für gewisse Menschen sein kann.» Seit Beginn der Arbeiten im vergangenen Oktober habe er aber einiges dazulernen dürfen. Auch Romy Tschopp hat die Erfahrung genossen: «Am Anfang hat man gemerkt, dass viele dem Thema mit Respekt begegnet sind.

Mit der Zeit sind aber alle lockerer geworden.» Die Hürden - nicht nur die modischen - scheinen sich in Luft aufgelöst zu haben. Farben, Designs und Schnitte stammen von Lernenden der Berufsfachschule. Die Modeschau «Eden» Die Show der Couture-Ateliers der Berufsfachschule Basel fand gestern in der Schule für Gestaltung am Freilager-Platz in Münchenstein statt. In vier ausverkauften Durchgängen mit je 100 Gästen präsentierten angehende Schneiderinnen und Schneider ihre Designs zum Thema Diversität, die sie seit Oktober erarbeitet haben.

Ebenfalls auf dem Laufsteg sind ihre Musen: Menschen mit körperlichen Beeinträchtigungen sowie Models mit grossen Grössen und alte Menschen. Gängige Schönheitsideale und Stereotype sollen so hinterfragt werden. Inspiriert vom Event-Titel «Eden» waren die Farbpalette und die paradiesische Location mit Pflanzen und Vogelgeräuschen. Entstanden ist die Idee zum Motto mit dem Basler Label Amiamo, das Mode für Menschen mit körperlicher Beeinträchtigung herstellt.

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