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Wiedereingliederung: Der Körper gibt das Tempo vor

Vor über 20 Jahren ändert sich für Roger Bolliger auf einen Schlag alles: Er verliert bei der Arbeit das rechte Bein. Doch schnell fasst der gelernte Käser einen Entschluss. Er will sich zurückkämpfen in ein «ganz normales Leben». Eine Erfolgsgeschichte.

Suva und PluSport pflegt eine Partnerschaft auf Augenhöhe und besteht bereits seit vielen Jahren. Im Fokus stehen Projekte, die das Ziel der Suva, nämlich die berufliche Wiedereingliederung, verkörpern und fördern. z.B. unterstützt Suva seit Beginn im 2013 das inklusive Laufprojekt «never walk alone» und ist damit ein treuer und enorm wichtiger Partner für PluSport. Herzlichen Dank.


Bericht: Stafan Joss, Suva

Sonntagmorgen im Oktober 2002. Der damals 28-jährige Roger Bolliger steht alleine in der Käserei, als eine Milchzentrifuge explodiert. Die Teile der Zentrifuge fliegen mit solcher Wucht durch den Raum, dass sie in der Wand stecken bleiben. Eines trennt Bolligers rechtes Bein ab. Zwei Tage später wacht er im Kantonsspital Aarau aus dem Koma auf. «Zuerst habe ich gehadert, war wütend und traurig», erzählt Bolliger. «Dann habe ich mir ein klares Ziel gesetzt: So schnell wie möglich raus hier und wieder ein 'normales Leben' führen.» 
 

Verliebt ins Zweirad

Seinen Frust liess Bolliger nicht am Klinikpersonal aus, sondern an einem Theraband. In der Rehaklinik Bellikon befestigte er es am Kopfende seines Betts und begann zu trainieren. Doch so einfach war es nicht. Seine Wunde infizierte sich mehrmals, der Stumpf am Oberschenkel wollte nicht seine rechte Form finden, eine weitere Operation stand an. «Beim Genesen wurde ich oft zurückgeworfen», erinnert sich Bolliger. Ihm wird damals bewusst, dass er auf seinen Körper hören muss: «Nicht ich gebe das Tempo vor, sondern er.» 

Trotzdem behielt er sein grosses Ziel immer im Blick. Und er setzte sich kleine, erreichbare Ziele. So trainierte der Bewegungsmensch Bolliger oft auf dem Hometrainer und an den Wochenenden brachte er sich selbst das Velofahren bei. «Jeden Tag ein kleines oder mittleres Ziel zu erreichen, das war für mich sehr motivierend», erinnert sich der ehemalige Käser.
 

«Mein Unfall hat mir etwas gezeigt: Schiebe im Leben nie etwas hinaus, sondern mach das, worauf du Lust hast. Denn dein Leben, wie du es kennst, kann sich von einer auf die andere Sekunde komplett verändern.»


Engagiert im Nationalkader

2004 hat sich als Schlüsseljahr entpuppt: Roger Bolliger begann die Umschulung zum technischen Kaufmann und entdeckte den Radsport. Er meldete sich für die Radsporttage GP Gippingen an, einem bekannten Velorennen, auch für Para-Cycling-Teilnehmende. «Bei diesem Wettkampf fuhr ich direkt aufs Podest», erzählt Bolliger. Kurze Zeit später trat er ins Para-Cycling-Nationalteam ein. In den letzten 20 Jahren fuhr er bei 22 Weltmeisterschaften und 2016 an der Paralympics in Rio mit. Dort holte er sich den 9. Rang – sein bisheriges Highlight. 
 

Achtsam in der Natur

2024 wird Bolliger 50. Er blickt auf eine erfüllte Profisportkarriere zurück und trainiert auch heute noch zweimal pro Tag. Dafür ist er dankbar, wie er mit Stolz sagt: «Wenn ich mit dem Rennvelo durch die Natur fahre, versuche ich, die Umgebung ganz achtsam wahrzunehmen. Dann spüre ich immer wieder: Ich arbeite am schönsten Ort der Welt.» 

Zudem arbeitet Bolliger 30 Prozent im Büro einer Werbetechnikfirma. Und im September 2024 tritt er erneut an der Para-Cycling-Weltmeisterschaft in Zürich an. «Ich stehe beruflich und sportlich voll im Leben. Einfach mit nur einem Bein.» 

Beitrag bei der Suva: Wiedereingliederung: Der Körper gibt das Tempo vor

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